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Kategorie: Kommunikation

Es tut mir leid – Die Kraft der Worte

Blogartikel "Es tut mir leid - Die Kraft der Worte"

Inhaltsverzeichnis

Verletzung wirken auf Systemgesetzebene

Das Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit & Wertschätzung

Vermutlich kennt jeder von uns das Gefühl, von jemandem verletzt worden zu sein oder bei seinem Gegenüber eine Grenze übertreten zu haben, indem wir zum Beispiel etwas gesagt oder getan haben, was den anderen verletzt und bei ihm oder ihr ein schlechtes Gefühl verursacht hat.

Diese Verletzungen, im Privaten wie Beruflichen, treffen uns oft in unseren Grundbedürfnissen nach Zugehörigkeit, Wertschätzung, Respekt, Anerkennung oder Gerechtigkeit und wirken damit tief in uns, auf Systemgesetzebene.

Wird der Gesprächspartner zum Beispiel im Gespräch laut oder schließt er sein Gegenüber aus, indem er sich zurückzieht, kann das bei seinem Gegenüber zu schlechtem Bauchgefühl, weichen Knien, Zittern oder Tränen führen. Es kann auch sein, dass der zuerst Verletzte aus seiner eigenen Verletzung heraus zurückverletzt. Auf diese Art entstünde eine Spirale von Verletzungen, wird sie nicht gestoppt.

Das Basisgefühl wird gebraucht

Dieses Gefühl, das schlechte Bauchgefühl, die Tränen oder ein inneres Zusammensacken, ist das Basisgefühl. Es zeigt unsere erste körperliche Reaktion auf eine Verletzung. Es wird dafür gebraucht, um unserem Gegenüber sichtbar zu machen, wie sich sein Verhalten bei uns ausgewirkt hat.

Das Basisgefühl wird oftmals verwechselt mit dem Denkgefühl. Dies kann z.B. sein: „Ich habe mich übergangen gefühlt.“, „Ich fühle mich ungerecht behandelt.“ oder „Ich fühle mich unwichtig.“. Diese „Gefühle“ entstehen durch das Denken.

Was aber hast du tatsächlich im Moment der Verletzung, also in dem Moment, in dem dir jemand etwas Verletzendes gesagt hat, körperlich gespürt?

Wenn wir Glück haben, zeigt uns unser Gegenüber, dass ihn unser Verhalten verletzt hat oder teilt es uns mit und wir haben die Möglichkeit, das Geschehene wieder „gerade zu biegen“.

Aber was kann getan werden, damit es beiden wieder gut geht?

"Es tut mir leid"

Jeder handelt mit positiver Absicht

Meiner Erfahrung nach handelt niemand aus einer bösen Absicht heraus. Vielmehr tut jeder zu jeder Zeit das Beste, was er kann. Zumindest für sich selbst. Mit ein bisschen Glück wird der Blick geweitet und unser Wohl wird in das Handeln unseres Gegenübers mit einbezogen.

Trotzdem können durch das Handeln emotionale Verletzungen bei Partner, Vater, Mutter, Kind oder Kollegen entstehen. Diese Verletzungen zeigen sich oft, wie oben beschrieben, auch körperlich.

Für dieses Gefühl, das Basisgefühl des Verletzten, übernehmen wir als Verursacher Verantwortung – und nicht für unser Verhalten. Wir haben schließlich zu jeder Zeit das Beste getan, was wir konnten und können unser Verhalten auch nicht rückgängig machen.

Durch unser Handeln können wir allerdings dazu beitragen, dass sich das schlechte Gefühl, das wir bei unserem Gegenüber verursacht haben, auflöst.

Wann war es noch gut?

Sind wir bereit, die Situation zu klären, haben wir die Chance, Verantwortung für das Leid zu übernehmen, das wir bei dem anderen verursacht haben. Dadurch können wir außerdem dafür sorgen, dass es unserem Gegenüber wieder besser geht, für die Zukunft aus dem Vergangenen lernen und gemeinsam wachsen.

Gedanklich suchen wir nun den Zeitpunkt, wo es mit unserem Gegenüber einmal gut war. Oft ist dies das Kennenlernen oder das erste, was wir über den anderen gehört haben oder der Moment, als wir den anderen zum ersten Mal gesehen bzw. das erste Wort mit ihm gewechselt haben.

Machen wir gedanklich diese Zeitreise und gehen wir mit unserem Gegenüber dorthin zurück, kann sich ein gutes Gefühl für den anderen einstellen, da das Kennenlernen oft noch konfliktfrei war und wir damit innerlich aus der aktuellen Konfliktsituation herauskommen.

Indem wir gedanklich dorthin zurückgehen, wo es für uns gut war, können wir unserem Konfliktpartner gegenüber eine wertschätzende Haltung einnehmen, die in einer Konfliktsituation aufgrund der eigenen Verletzung typischerweise unmöglich ist. Nun geht es darum herauszufinden, welche die erste Verletzung war.

Leid zeigen und auch bei dem anderen anerkennen können

Die wertschätzende Haltung ermöglicht es dem Verletzten, dem Verursacher sein Leid, das Basisgefühl, zu zeigen, beispielsweise sein schlechtes Bauchgefühl, Tränen oder die weichen Knie. Was haben Sie im Moment der Verletzung körperlich gespürt?

Dem Verursacher ermöglicht die wertschätzende Haltung wiederum, das verursachte Leid bei dem Verletzten zu sehen und es anzuerkennen:

„Es war nicht meine Absicht, dass du dich so gefühlt hast. Es tut mir leid.“

Verantwortung als Verursacher übernehmen

Die Mücke nicht zum Elefanten werden lassen

Leid wird von Klienten oft mit starken Körpersymptomen, z.B. großem Bauchweh oder vielen Tränen, gleichgesetzt. Mit Leid sind aber auch schon die kleinen Stiche gemeint, da aus der Mücke, der kleinen Verletzung, oftmals irgendwann ein Elefant, die große Verletzung, wird, wenn nicht bereits die Ursache der Verletzungen gefunden und aufgelöst wird. Aus einer kleinen Verletzung heraus wird rückverletzt, darauf folgt oftmals die nächste Verletzung usw..

Werden die Konfliktthemen nicht geklärt, entstehen auf diese Weise immer mehr und typischerweise stärkere Verletzungen. 

An dieser Stelle können die Konfliktpartner nur die wertvolle Möglichkeit gewinnen, den anderen besser kennen zu lernen und sich gemeinsam weiterzuentwickeln.

"Es tut mir leid" oder "Entschuldige"?

Wenn wir jemanden verletzt haben, gibt es viele Worte, mit denen wir versuchen können, die Situation zu verändern. Dabei zeigt sich immer wieder, dass diese Worte bei dem Verletzten unterschiedliche Wirkungen haben.

„Entschuldige!“. Schauen wir näher auf diese Situation, zeigt sich, dass der Verursacher den Verletzten darum bittet, die Schuld für die Verletzung von sich zu nehmen. Darin versteckt sich „Verletzter, bitte entschulde mich!“.  Der Verletzte bleibt also nicht nur auf seiner Verletzung und dem damit verbundenen Leid hängen, da der Verursacher keine Verantwortung dafür übernimmt. Er wird dadurch vielmehr ein zweites Mal verletzt.

Ein aufrichtig gemeintes „Es tut mir leid!“ kann jedoch der Erfahrung nach eher bei dem Verletzten ankommen und dazu beitragen, dass sich die Verletzung – und damit sein Leid – auflöst. Der Verursacher zeigt damit deutlich, dass er Verantwortung für das durch ihn verursachte Leid übernimmt. Eine Erklärung für das verursachende Verhalten ist normalerweise nicht nötig und wirkt eher als  Rechtfertigung. Probieren Sie die Kraft dieser Worte einmal aus!

Ein Beispiel aus der Praxis

Marie kommt zu spät zu ihrer Verabredung mit Marc

In den Coachings gebe ich oftmals das Beispiel, dass beim Kennenlernen ein Partner bei der ersten Verabredung 15 Minuten zu spät kommt. Das wartende Date spürt ein schlechtes Gefühl im Bauch, denkt sich die Verspätung aber „schön“, da auch er, wie viele von uns, gelernt hat, dass eine kleine Verspätung „nicht schlimm“ sei und es derjenige „ja nicht böse“ meinte. An dieser Stelle sind wir, wie oben beschrieben, im Denken, betrachten die Situation rational und deckeln damit in der Regel das aufkommende schlechte Bauchgefühl.

Die Coachings zeigen jedoch immer wieder, dass es neben der rationalen Ebene auch die oben beschriebene Systemgesetzebene gibt. Je nachdem, wie „gut“ wir deckeln oder kleine wie große Verletzungen verarbeiten können, ist die Systemgesetzebene bei Verletzung unserer Grundbedürfnisse unterschiedlich stark betroffen.

Manch einer spürt diese Verletzung unmittelbar körperlich, andere wiederum spüren sie erst etwas später, andere wiederum deckeln möglicherweise mit dem Gedanken „Es ist nicht so schlimm“ oder ähnlichem. In Streitsituationen kommen diese kleinen unverarbeiteten Verletzungen oft wieder hoch.

Wie wir häufig mit Verletzungen umgehen

Zurück zu unserem Paar, nennen wir sie Marc und Marie. Marie kommt zu spät zu ihrer ersten Verabredung mit Marc. Er spricht ihr Zuspätkommen nicht an, spürt aber trotzdem ein Unwohlsein bei sich, was er ebenfalls nicht anspricht. Vielleicht sagt er Julia auch etwas, wie: „Du bist zu spät gekommen. Da finde ich nicht gut!“, was bei ihr als Vorwurf ankommt (= „Du bist..“).

Vielleicht macht Marc auch einen flapsigen Kommentar dazu, dass sie beim nächsten Mal die Bahn nehmen könne statt zu Fuß zu gehen. Vielleicht möchte Marc sein schlechtes Bauchgefühl auch nicht ansprechen, weil er den Abend „nicht kaputt machen“ möchte oder er einfach nicht weiß, wie er sein schlechtes Gefühl bei Marie richtig ansprechen soll, ohne sie zu verletzen. Bei der nächsten Verabredung kann es sein, dass Marc zu spät kommt sein eigenes Zuspätkommen mit dem Zuspätkommen von Julia bei ihrer ersten Verabredung rechtfertigt.

In allen Fällen wird Marc’s schlechtes Bauchgefühl nicht angesprochen. Er bleibt darauf sitzen und Marie weiß nicht, wie es ihm wirklich geht.

Diese Konstellation ist auf viele andere Situation im privaten oder auch im beruflichen Kontext übertragbar. Auch im beruflichen Miteinander fühlen wir uns typischerweise am wohlsten, wenn wir uns zugehörig, gewertschätzt und fair behandelt fühlen. In diesem Umfeld können wir gut im Flow sein.

Die neue Sicht auf die alte Situation

Was können die beiden tun, um aus den Verletzungen herauszukommen und weitere zu vermeiden?

Idealerweise spricht Marc sein schlechtes Bauchgefühl, das durch Marie’s Zuspätkommen entstanden ist, sofort in wertschätzender Haltung an.

Er geht gedanklich dahin, wo es für ihn gut war, vielleicht zum ersten Telefonat mit Marie, und sagt zu ihr: „Dein Zuspätkommen hat bei mir ein schlechtes Bachgefühl verursacht.“.  Marie geht gedanklich ebenfalls zu diesem Punkt, wo es für sie gut war und kann ihm sagen. „Es tut mir leid, dass es dir meinetwegen so ging. Das war nicht meine Absicht. Es ist meine Verantwortung.“. Normalerweise verfliegt damit bei Marc sein schlechtes Bauchgefühl.

Fragt Marc Marie nun, wie sie reagiert hätte, wenn sie von seinem schlechten Gefühl vor der Verletzung gewusst hätte, kann sie neu auf diese alte Situation schauen. Ihre Antwort wäre vermutlich etwas, wie: „Ich hätte dich rechtzeitig angerufen oder dir eine Nachricht geschickt, damit du weißt, dass ich später komme“ oder „Ich hätte mich mehr beeilt und wäre pünktlich gewesen.“.

Hat er sie zurückverletzt, z.B. durch eine wenig wertschätzende Reaktion auf ihre Verspätung hin, kann er nun wie gerade beschrieben auch ihr gegenüber Verantwortung für ihr schlechtes Gefühl übernehmen, da es bei ihm (wieder) gut ist.

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Neben dem neuen Wissen, der Erleichterung und dem neuen Verständnis für den Konfliktpartner entsteht an dieser Stelle regelmäßig auch diese Erkenntnis:

Wäre die erste Verletzung nicht passiert, hätte es auch keine weiteren Verletzungen gegeben. Auf diese Weise haben beide voneinander gelernt und können bei der nächsten Situation das neu gelernte Verhalten einbringen und weitere Verletzungen vermeiden. Die Mücke ist gebannt.

Hast du mit deinem Partner/deiner Partnerin ähnliche Themen? Oder gibt es in deinem beruflichen Umfeld ungelöste Themen? In einem kostenlosen Erstgespräch besprechen wir, wie du deine Verletzungen wirksam auflösen und wieder mehr Power in dein Leben bringst.

Eileen

über mich

Hallo, ich bin Eileen, 45 Jahre alt, Juristin, systemischer Coach und Mediatorin in Kiel.

Eileen Lachmann, systemischer Coach und Mediatorin, Kiel

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